Der Grosse Rat hat zum Start der Wintersession 2023 dem Jugendparlament den Rücken gestärkt und einer Motion für ein Vorstossrecht zugestimmt. Die Berner Jungfreisinnigen begrüssen diesen Entscheid. Trotzdem gibt es aus demokratischer Sicht grosse Vorbehalte und viele essenzielle Fragen, die nun vom Regierungsrat dringend geklärt werden müssen.
Seit 2016 gibt es im Kanton Bern ein Jugendparlament, welches wie die Jungparteien auch als Verein organisiert ist. Nun hat der Grosse Rat entschieden, dass dem Jugendparlament deutlich mehr Rechte zugesprochen werden sollen, als dies zum Beispiel bei den Jungparteien der Fall ist. Die Berner Jung-freisinnigen befürworten diesen Entscheid grundsätzlich. Tobias Frehner, Präsident JFBE, sagt dazu: «Junge Menschen sind in der Politik leider massiv untervertreten. Das zeigte sich auch bei den letzten Grossratswahlen. Zwischen 18 und 25 Jahren schaffte niemand den Sprung ins Parlament. Das ist bedauerlich.» Trotzdem sei dieser Vorstoss aus demokratischer und staatsrechtlicher Sicht nicht über alle Zweifel erhaben, ergänzt Frehner.
Enorme Kompetenzerweiterung
Jugendliche in der Schweiz können sich über Jugendräte, Jugendparlamente und Jugend-Sessionen aktiv in die Politik einbringen, ihre Anliegen vertreten und werden dabei in die politische Arbeitsweise eingeführt. Die Strukturen variieren dabei in Bezug auf Mitgliedschaftsanforderungen, Altersgrenzen, Wohnort, Nationalität und die Rolle von Jungparteien. Es ist zu beachten, dass weder auf Bundesebene noch in den Kantonen Jugendparlamenten ein direktes Vorstossrecht in den kantonalen Parlamenten gewährt wird. Dieser Vorstoss ist für das Jugendparlament also eine enorme Erweiterung ihrer Handlungskompetenzen, welche höchstwahrscheinlich eine Anpassung der Verfassung erfordert, da gemäss der Kantonsverfassung nur Grossratsmitglieder, der Regierungsrat und die Justizverwaltungsleitung antragsberechtigt sind.
Offene Fragen
Aus der Sicht der Jungfreisinnigen Kanton Bern ist es wichtig, die Handlungsmöglichkeiten des Jugendparlaments zu stärken. Der aktuelle Vorschlag lässt allerdings viele Fragen offen. Denn diese weitrei-chende Befugnis erfordert die offizielle Anerkennung eines kantonalen Jugendparlaments durch den Staat, ähnlich dem demokratisch organisierten Jugendparlament des Kantons Zürich. Es ist zu beachten, dass die Anerkennung allein nicht ausreicht, um ein direktes Vorstossrecht zu begründen. Es müssen zusätzliche rechtliche Grundlagen geschaffen und Einzelheiten geklärt werden, darunter die Art des Vorstosses und die Vertretung im Gremium. Zudem muss das Jugendparlament eine Altersgrenze definieren, welche den Namen Jugend auch wirklich verdient. Ausserdem muss sich die Politik ernsthafte Gedanken über die Positionierung ihrer Jungparteien machen. Denn diese werden im Gegensatz zum Jugendparlament im Kanton Bern weder finanziell unterstützt, noch verfügen sie über ein so starkes Mittel wie dieses Vorstossrecht.
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