Ein kontroverser "Kassensturz"-Beitrag wirft einen kritischen Blick auf die Berner Regierungsratsmitglieder, denen vorgeworfen wird, systematisch Kleinstspesen abzurechnen. Die darauffolgende hitzige Debatte hinterfragt nicht nur die angeblichen Praktiken, sondern wirft auch schiefes Licht auf die Rolle der Medien, namentlich der staatlich finanzierten, in der Suche nach sensationellen und politisch gefärbten Geschichten.
Vor zwei Wochen hat ein reisserischer Beitrag der Sendung «Kassensturz» auf SRF die Berner Regierungsratsmitglieder angeprangert und suggeriert, dass diese systematisch Kleinstspesen abrechnen würden.
Der Berner FDP-Regierungsrat Philippe Müller betonte in einer persönlichen Erklärung vor den Mitgliedern der FDP Stadt Bern, dass er nie einen Spesenzettel für Kleinstbeträge abgeliefert habe und es faktenwidrig sei, er würde seit Jahren regelmässig Kleinstspesen verbuchen.
Die gleiche Aussage macht Müller auch in einem internen E-Mail an seine 4'700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er habe weder die Käufe selbst getätigt, noch habe er je für einen solchen Betrag unterschrieben. Er komme für Kleinstauslagen selbst auf.
Dies bestätigt auch der Kommunikationsbeauftragte des Regierungsrates Reto Wüthrich: «Es gibt kein Regierungsmitglied, das Kleinstbeträge als Spesen abrechnet – erst recht nicht systematisch»
Es ist erstaunlich, dass ein staatliches Medium, nach einer zwölfmonatigen Recherche, einen solchen personalisierten und konfliktorientierten Bericht ohne wirklichen Inhalt veröffentlicht. Es zeigt deutlich, dass es dem Kassensturz nicht um den Inhalt, sondern um Sensation und um Politik ging. Die Story wurde am nächsten Tag schweizweit von den Medien aufgenommen. Der Schaden für die Berner Regierungsräte war angerichtet.
Adrian Ritz schrieb dazu in einem Gastkommentar in Berner Zeitung / Der Bund: «Kritisch darf die Frage gestellt werden, ob die Medien ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen, wenn die krampfhafte Suche nach einer emotionalen Story nichts als bananengrosse Kleinigkeiten zutage fördert. Auf dem Höhepunkt wird der Meinungsjournalismus noch mit etwas Volkszorn untermalt und nährt sich selbst repetitiv aus Onlinekommentaren.»
Fakt ist, das ein Regierungsmitglied, bei dem innerhalb von sechs Jahren nur drei fragliche Spesenabrechnungen im Umfang von sieben Franken und fünfundfünfzig Rappen gefunden wurden, nicht systematisch Steuergeld missbraucht. Das weiss auch der Kassensturz. Es ist deshalb schon erstaunlich, wie ein staatliches, durch Gebühren finanziertes Medium, aus drei Einzelbelegen (die zudem fünf und mehr Jahre alt sind) ein «regelmässiges Abrechnen von Kleinstspesen» konstruieren kann.
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